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junge Welt, 5.9.2001

Ausstieg aus Noteingang?

(Interview: Harald Neuber)

Die "junge Welt" interviewte Knut-Sören Steinkopf von der Brandenburger "Aktion Noteingang", Sprecher des Antirassistischen Jugendbündnisses

F: Anfang September vergangenen Jahres habt ihr mit der Aktion "Noteingang" den Aachener Friedenspreis verliehen bekommen. Nun soll die Aktion eingestellt werden. Was ist das Problem?

Wir wollten mit der Aktion "Noteingang" verschiedene Ziele erreichen, in erster Linie sollte darauf hingewiesen werden, daß es alltäglichen Rassismus in sehr vielen Brandenburger Städten und Gemeinden gibt. Gleichzeitig wollten wir das Thema in die öffentliche Diskussion bringen. Jugendlichen sollte eine Möglichkeit geboten werden, aktiv etwas gegen Rassismus und Rechtsradikalismus in ihren Städten zu unternehmen, um so ein zivilcouragiertes Handeln einzufordern. Inzwischen haben wir uns als Jugendbündnis gefestigt, sind handlungsfähig und möchten neues Projekte in Angriff nehmen.

F: Vor einem Jahr war das Thema ohnehin en vogue, die verbale Unterstützung durch Politiker war enorm. Hielt die denn bis zuletzt an?

Zunächst hatten wir gegen viele Widerstände zu kämpfen. Im vergangenen Jahr aber wurde unsere Aktion von vielen als ein Beispiel dafür aufgegriffen, wie Zivilcourage im Alltag funktionieren kann. Die "Aktion Noteingang" wurde von vielen Organisationen und Parteien als Vorzeigeprojekt genutzt. Das klang zwar immer ganz gut, aber wir haben uns immer öfter darüber geärgert, weil wir uns vereinnahmt gefühlt haben. Als der Noteingang von der Bundesregierung aufgegriffen wurde, war es nicht mehr die Aktion von unten, sondern ein zentral gesteuertes Projekt, in dem Bürgerinnen und Bürger selbst kaum mehr aktiv werden konnten. Das deutlichste Zeichen war ein grünes Plagiat unseres schwarz- gelben Aufklebers, das für 43 Pfennig bei der SPD und den Grünen zu bestellen war. An diesem Punkt war es nicht mehr gefragt, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, sondern man verschaffte sich billig ein Alibi. Man war dabei.

Von politischer Seite hätten wir eigentlich erwartet, als Jugendbündnis mehr Unterstützung zu erhalten. Schließlich stehen viele Leute und Basisinitiativen in Brandenburg recht einsam und ohne politische und finanzielle Unterstützung da. Die Stimmung im vergangenen Jahr hätte auch dazu genutzt werden können, in der politischen Förderlandschaft einen Wechsel durchzusetzen. Der Effekt war aber umgekehrt: Unser Trägerverein, das Demokratische Jugendforum Brandenburg, ist aus allen Förderungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport rausgeflogen.

F: Welche Gründe wurden dafür angeführt?

Sachzwänge. Dazu muß man sagen, daß es diesen Verein schon seit elf Jahren gibt, in denen er querdurch Ländergelder erhalten hat. In Brandenburg gab es ein besonderes Modell, eine sogenannte Jugendinitiativförderung. Sie lief neben der üblichen Verbandsförderung parallel, wenn auch mit einem wesentlich geringeren Budget. Aufgrund allgemeiner knapper Kassen leistet man sich nun keine Parallelstruktur mehr. Damit hebelt man in Brandenburg aber wichtige Projekte aus, die aktiv etwas gegen Rechtsradikalismus und Rassismus unternehmen.

F: Die Idee dieser Aktion "Noteingang" war ursprünglich, Menschen persönlich anzusprechen und zum Engagement aufzufordern. Ist das gelungen?

20 Prozent derjenigen, mit denen wir Gespräche geführt haben, konnten dazu motiviert werden, die Aktion aktiv mitzutragen. Das haben wir über Fragebögen ermittelt.

F: Aus der "Aktion Noteingang" ist nun die "Aktion Analyse" geworden. Was soll analysiert werden?

Das Thema ist zunehmend wieder aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit verschwunden. Vielerorts ist man der Meinung, man habe genug getan und könne wieder zum Alltag übergehen. Dieses Erscheinungsbild hatten wir schon Ende letzten Sommers, verstärkt dann im Herbst und Winter. Die Statistik spricht für sich: Rechtsradikale und rassistische Übergriffe sind immer noch genauso alltäglich sind wie 1998 und 1999. Die Situation hat sich in vielen Städten nicht geändert, der Umgang mit Flüchtlingen ist immer noch genau der rassistische Umgang, wie wir ihn vor zwei, drei Jahren kritisiert haben. Besonders die Parteienpolitiker tun jetzt aber so, als wäre halt das Problem Rechtsradikalismus erledigt, nachdem hier und da ein Projekt unterstützt, oder Sportveranstaltungen oder Musikveranstaltungen gegen Rechtsradikalismus und Rassismus organisiert wurden. Eine wirkliche gesellschaftliche Auseinandersetzung braucht aber einen längeren Atem, sie braucht vor allem auch den kritischen Blick der Basisinitiativen. Darum haben wir unsere und alle anderen Jugendinitiativen in Brandenburg im Rahmen der "Aktion Analyse" dazu aufgerufen, in ihren Orten zu analysieren, wie sich rassistische Einstellungen vor Ort äußern. Mit Blick auf die Aktion wollen wir zur Diskussion stellen, was seit Beginn dieser Aktion geschehen ist.

 
 

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